Kasan

Mai, 2008

Wolga

980 km von Moskau

Land und Leute,
Geschichte, Kreml

Orthodox-muslemische Hauptstadt der Republik Tatarstan

2 Sprachen, 2 Konfessionen,
mehr als 100 Ethnien

Anna Safronowa

Erlebnisse

eine der schönsten Moscheen Russlands im Kasaner Kreml von innen und außen bewundern
die mysteriose Legende über die Tatarenkönigin Sujumbike und den Zaren Iwan den Schrecklichen erfahren
traditionelle tatarische Gerichte verkosten und ein Paar Wörter auf Tatarisch erlernen

Kasan ist die Hauptstadt der Republik Tatarstan und mit über 1,2 Millionen Einwohnern die fünftgrößte Stadt Russlands. Kasan liegt an der Grenze von West und Ost, Islam und Orthodoxie und stellt eine erstaunliche Mischung aus Sprachen, Konfessionen und Traditionen dar, die für über 1000 Jahre Geschichte eng im bunten Stadtbild und harmonischen Zusammenleben verflochten sind. Ein perfektes Beispiel ist Kasaner Kreml und das UNESCO-Weltkulturerbe mit einer orthodoxen Kirche und einer Moschee. Die architektonische und kulturelle Vielfalt sowie wunderschöne Panoramen der Wolga, die hier scharf nach Süden abbiegt, machen Kasan zu einem der beliebtesten Reiseziele in Russland.

Partnerstadt in Deutschland: Braunschweig

Kasan wird inoffiziell als dritte Hauptstadt Russlands bezeichnet (nach Moskau und Sankt Petersburg) und nimmt einen besonderen Platz unter den russischen Städten ein dank der tausendjährigen Geschichte, die halb tatarisch und halb russisch war. Seit mehreren Jahrhunderten leben hier über 100 Nationalitäten - hauptsächlich orthodoxe Russen und muslimische Tataren - zusammen. Ihre Nachbarschaft bemerkt man überall: alle Anschriften sind zweisprachig, orthodoxe Kathedralen befinden sich neben Moscheen, und in Restaurants kann man neben traditionellen russischen Pelmeni und Blini tatarische Tschak-Tschak und Etschpotschchmak verkosten.

Hier trifft Russland mit dem Osten und Orthodoxie mit Islam. Und die Einheimischen, so unterschiedlich und so schön, entwickeln ihre Stadt seit vielen Jahrhunderten zusammen und bilden ihre eigenartige Volkseinheit. Kasan muss man sehen, fühlen und schmecken

Obwohl Kasan in 2005 das tausendjährige Jubiläum gefeiert hat, beeindruckt es mit einer sehr jungen, modernen und offenen Atmosphäre. Die Stadt entwickelt sich sehr rasch, ist offen für Neues, für die Gäste aus aller Welt, veranstaltet internationale Sportwettkämpfe (z.B. die Universiade 2013, die Fußball-Weltmeisterschaft 2018) und gilt als eines der größten Innovationszentren in Russland mit eigenem "Silicon Valley". Dabei bewahrt Kasan sein Kulturerbe und ist stolz auf die Wurzeln und große Landsleute.

Das Land der Tataren, bekannt aus dem 8. Jahrhundert v.Chr., war Teil des uralten Reichs der Wolgabulgaren, der Goldenen Horde von Dschingis Khan und des Kasaner Khanats. Erst im 16. Jahrhundert wurde es von Iwan dem Schrecklichen erobert und in das Russische Reich eingeschlossen. Wie lebt Kasan heute? Wie bewahrt seine Geschichte und Authentizität? Ich lade Sie auf die Reise in eine der schönsten Städte auf der Wolga, in das magische Kasan!

Kasaner Kreml

Als ich zum ersten Mal nach Kasan reiste, wusste ich sehr wenig über diese Stadt. „Рэхим итегез" (Rahim iteges) - begrüßt das Schild alle Reisenden bei Ankunft in Tatarstan, was in der tatarischen Sprache "Willkommen" bedeutet. Ein toller Start. Mir steht nicht nur die Bekanntschaft mit einer neuen russischen Stadt vor, sondern auch einer neuen Kultur und Sprache. Einheimische sprechen oft beide Sprachen, Anschriften sind auf Russisch und Tatarisch (und nach der FM 2018 auch auf Englisch). Für Russland ist es ein seltener Fall, denn trotz der Multinationalität wird Russisch im ganzen Land verwendet, und es gibt keine besonderen Dialekte. Wenn Sie ein paar Wörter auf Russisch kennen, werden Sie von Kaliningrad bis Wladiwostok verstanden. Tatarisch als türkische Sprache ist jedoch für Russen absolut unverständlich.

Bei Kasan bildet die weitläufige Wolga einen rechten Winkel und biegt scharf nach Süden in Richtung von Astrachan und Wolgograd. Deswegen ist Kasan eines der Zentren des Kreuzfahrttourismus im europäischen Teil Russlands. Täglich legen große Kreuzfahrtschiffe vom Kasaner Flusshafen nach Nischni Nowgorod, Samara, Perm, Astrachan, Moskau ab. Mit kleinen Motorschiffen erreichen Einheimischen die Insel Swijazhsk und ihre Sommerhäuser am Wochenende. Von allen Seiten ist Kasan von Wasser umgeben: die Wolga, ihr Nebenfluss Kasanka und das System der großen Seen im Stadtzentrum bieten malerischen Panoramen und Fotomotiven.

Alttatarisches Viertel in Kasan auf der Wolga in Russland

Alttatarisches Viertel am Kaban-See

Kasaner Kreml entstand als Grenzfestung im Norden des Reichs der Wolgabulgaren und wurde zur Hauptstadt des Kasaner Khanats erst im 15. Jahrhundert. Die ersten hölzernen Befestigungen des Kremls wurden nach dem Erlass von Iwan dem Schrecklichen nach der Eroberung von Kasan durch steinweiße Mauern ersetzt. Der Bau wurde sowohl von tatarischen als auch von russischen Meistern ausgeführt, die auch an der Basilius-Kathedrale in Moskau arbeiteten.

Man sieht den Kreml bereits von Weitem. Auf dem hohen grünen Hügel schwebt er über der Stadt als Kasans Hauptwahrzeichen. Am Eingang begrüßt uns der Spasski Turm (Erlöser-Turm), genauso wie im Moskauer Kreml. Das architektonische Ensemble des Kasaner Kremls spiegelt die Einheit der Russen und der Tataren wider. An der Maria-Verkündigungs-Kirche wurde symbolisch das Denkmal zu Ehren eines russischen und eines tatarischen Architekten eröffnet. Die orthodoxe Kathedrale aus weißem Stein mit himmelblauen und goldenen Kuppeln wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts in Pskower Bautradition errichtet und ist das älteste architektonische Denkmal auf dem Gelände des Kremls. Daneben erhöht sich die Kul-Sharif-Moschee in den gleichen Farben, das bekannteste Symbol von Kasan. In Kombination mit schneeweißen Festungsmauern schaffen die beiden Bauten eine nahezu schwerelose Gestalt des Kremls im Stadtbild.

Kul Scharif Moschee in Kasan auf der Wolga in Russland

Die Kul-Sharif-Moschee wurde in den Jahren 1996-2005 nach Beispiel der historischen Moschee erbaut, die im 16. Jahrhundert nach Erlass von Iwan dem Schrecklichen zerstört worden war. Heute ist sie das dominierende Baumerkmal des Kremls und zieht Blicke von Weitem auf sich mit glänzenden blauen Minaretten, weißen Marmorwänden und goldenen Halbmonden. Die Innenausstattung der Moschee ist noch prunkvoller. Türkisfarbige Mosaiken, zierliche geschnitzte Balkons, bemalte Teppiche und die mit Goldschriften und orientalischen Ornamenten bedeckte Kuppel schaffen ein unglaubliches Gefühl von schwebender Leichtigkeit, Zartheit und zugleich Majestät und Begeisterung. Fabelhafte Atmosphäre!

Unter überwiegend hellen Farben in der Kremlarchitektur tritt der Sujumbike-Turm aus rotem Backstein hervor. Die schlanke Konstruktion mit einer Neigung von 2 Meter wirkt "überhängend" und scheint kurz vor dem Fall zu stehen. Die Geschichte des Turms ist auch mit den Namen von Iwan dem Schrecklichen und der tatarischen Königin Sujumbike verbunden, ist mysteriös und voller romantischer Legenden. Einheimischen behaupten auch, dass der zauberhafte Turm die Wünsche erfüllt. Ob man es glaubt, entscheidet jeder für sich. Mich beeindruckte die Legende aber sehr, denn das, was ich mir am Turm gewünscht hatte, wirklich innerhalb von 3 Tagen in Erfüllung ging. Wie versprochen.

Vom hohen Erdwall aus öffnen sich malerische Stadtblicke auf das Zentrum und den Fluss Kasanka. Nach dem Rundgang im ruhigen herrlichen Kreml geht es zur beliebten Flaniermeile auf der Bauman-Straße.

Bauman-Straße

Auf jedem Schritt und Tritt sieht man interessante Denkmäler: für den herausragenden Opernsänger Fjodor Schaljapin, geboren in Kasan, für die Kutsche der Kaiserin Katharina der Großen, in der sie nach Kasan reiste und sogar für satte Kasaner Kater, die im 18. Jahrhundert extra nach Sankt Petersburg geschickt waren, um alle Mäuse im Winterpalast zu fangen (übrigens sehr erfolgreich).

Tipp von Anna: die Bauman-Straße ist der Lieblingsort für Spaziergänge und Erholung der Stadtbewohner. Planen Sie hier eine Mittagspause, um die lokale Küche zu verkosten und unbedingt Tee mit Tschak-Tschak, dem traditionellen tatarischen Dessert, zu trinken. Tschak-Tschak ist sehr haltbar und wäre damit ein gutes Souvenir von der Reise nach Kasan

Tschak-Tschak, tatarische Küche in Kasan auf der Wolga in Russland

Teestunde mit Tschak-Tschak

Es gibt immer viele Leute in der Stadtmitte und auf den Uferpromenaden. Darunter sind besonders viele Jugendlichen und Studenten. Als größtes Bildungs- und Kulturzentrum der Wolga-Region erzogen Kasaner Universitäten mehrere talentierte Russen, darunter Revolutionär Wladimir Lenin, Schriftsteller Leo Tolstoj und Wissenschaftler Nikolaj Lobatschewski. Am Hauptgebäude der Kasaner Universität steht das einmalige Lenin-Denkmal. Kommen Sie nicht vorbei, Sie werden ihn sicher auf den ersten Blick nicht erkennen: hier ist er nicht als Revolutionsführer dargestellt, der wie gewohnt den Weg in die helle Zukunft zeigt, sondern als junger Student mit einem Buch.

In Kasan befindet sich eines der ältesten Puppentheater Russlands namens Ekijat. Hier besucht man Aufführungen nach den beliebtesten russischen und tatarischen Volksmärchen für Kinder in beiden Sprachen. Das Theatergebäude selbst wirkt als zauberhaftes Schloss, in dem auch Erwachsene sich in einem Märchen fühlen.

Kasan ist bunt, fabelhaft, auch in der überwiegend klassischen Stadtarchitektur fallen besondere dekorative Elemente und ungewöhnliche Konstruktionen auf. Vor uns liegt die Peter-und-Paul-Kathedrale – ein bemerkenswertes Beispiel des russischen Barockstils. Üppig, dekoriert mit bunten Kacheln und Blumenornamenten, unterscheidet sie sich von traditionellen orthodoxen Kirchen. Wenn Sie bereits in Nischni Nowgorod gewesen sind, bemerken Sie daran etwas von der bunten Maria-Geburts-Kirche, die ebenfalls zu Beginn des 18. Jahrhunderts in der Blütezeit des russischen Barocks erbaut worden ist.

Peter-und-Paul-Kathedrale

Beim Rundgang im Zentrum von Kasan, merkt man ständig, wie verschieden und gleichzeitig sehr einig die Stadt ist. Alte historische Bezirke folgen nach modernen Vierteln und laute Touristenstraßen – nach ruhigen Uferpromenaden. Man möchte Kasan zu Fuß erkunden, obwohl die Hauptsehenswürdigkeiten ziemlich weit voneinander entfernt liegen. Am Kaban-See fand ich eine Ecke des alten Kasan, so wie es im 16. Jahrhundert war, als die Moskauer Fürsten hierher kamen.

Tatarische Kaufleute gründeten hier ihre eigene Siedlung, die schließlich zum historischen alten tatarischen Viertel wurde. Das sind gemütliche Straßen mit bemalten Holzhäusern, reichen Landgütern und alten Moscheen. Es ist hier nicht so voll wie im Kreml und nicht so laut wie auf der Bauman-Straße – also ein ausgezeichneter Ort für den angenehmen Tagesausklang. Am Abend, wenn Kasan mit Abendlichtern glänzt, kommt man wieder gerne zum Ufer und genießt, wie sich die Türkisfarben der Kul-Sharif-Moschee im Fluss widerspiegeln.

Es war ein herrlicher Tag. Danke, Kasan! Рәхмәт, Казан! (Rehmet, Kasan!)

Kasan

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Natürlich ist Kasan mehr als einen Reisetag wert, deswegen plane ich jedenfalls wieder zu kommen, um die uralte Stadt Bolgar, das Raifa-Kloster und die Insel Swijaschsk zu besichtigen. Und Kasan selbst ist immer ein attraktives Reiseziel. Die Kombination von bereits bekannten und verständlichen Bildern einer russischen Stadt mit urtümlichen tatarischen Traditionen macht den Besuch von Kasan zu einem besonderen und unvergesslichen Punkt während einer Reise auf der Wolga oder auf der Transsibirischen Eisenbahn.

Kasan

ANREISE: Kasan liegt auf verschiedenen Routen der Wolgakreuzfahrten und ist mit komfortablen Zügen mit Moskau, Sankt Petersburg, Nischni Nowgorod und der Transsibirischen Eisenbahn verbunden

aus Moskau: 11 Stunden mit dem Nachtzug oder 1.5 Stunden mit dem Flieger
aus Sankt Petersburg: 22 Stunden mit dem Nachtzug oder 2 Stunden mit dem Flieger